Bhutans Nationaler Glücks-Index
Kann man Glück messen?
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Das glückliche Königreich
Das Königreich Bhutan ist kein Ort, von dem man normalerweise gehört hätte. Es ist ein kleines Land, 46.500 Quadratkilometer groß: ungefähr 150 km von Norden nach Süden und 300 km von Ost nach West [1]. Es besteht hauptsächlich aus hohen Bergen und tiefen Tälern und reicht von einem heißen und feuchten Süden bis zum Dauerfrost der Himalayas im Norden. Was es besonders macht, ist, dass seine Regierung sich das explizite Ziel gesetzt hat, seine Menschen glücklicher zu machen.
In den 1970er Jahren förderte der damalige König Jigme Singye Wangchuck die Idee, dass die Überwachung des Glücks einer Bevölkerung, anstatt anderer (ökonomischer) Indikatoren, eine bessere, menschlichere Perspektive der Entwicklung eines Landes bieten würde.
Natürlich stellt dies sofort die Frage: Kann man überhaupt das Glück eines ganzen Landes messen? Ist es möglich, eine einzelne Zahl zu ermitteln, die auf sinnvolle Art das Glück eines Landes ausdrückt?
Es gibt viele Gründe zu glauben, dass das unmöglich ist.
Was ist Glück?
In einem anderen Beitrag haben wir über die Idee von Veenhoven gesprochen, dass “Glück” ein Wort ist, das tatsächlich auf mindestens vier völlig unterschiedliche Konzepte verweist:
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Wir könnten von einem Potenzial für Glück oder von tatsächlich erreichten Ergebnissen sprechen.
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Und wir könnten subjektive Maßstäbe für Glück anlegen (wie z.B. private Gefühle); oder wir könnten auf die Art und Weise blicken, wie andere Menschen mich von außen betrachten (“Einstein muss glücklich gewesen sein, weil sein Leben solch einen Einfluss auf andere hatte.”)
So wir haben die Sicht von innen und außen, und jede kann auf Potenziale oder Ergebnisse gerichtet sein, was uns vier verschiedene Versionen dessen gibt, was “Glück” bezeichnen könnte. Daher ist es laut Veenhoven bestenfalls irreführend, über “Glück” im Allgemeinen zu sprechen. Schlimmstenfalls würden wir versuchen, eine Sache zu messen, die in Wirklichkeit vier verschiedene Dinge ist, die nicht zusammen gemessen oder in einer einzigen Zahl ausgedrückt werden können.
Aber diese Kritik scheint solche Messungen nicht völlig unmöglich zu machen. Als Beispiel nehmen wir ein Mittagessen. Was mir ein “gutes” Mittagessen geben kann, ist eine Sammlung verschiedener Dinge, die ich als wertvoll ansehe:
- Ich werde nicht mehr hungrig sein.
- Ich werde angenehme Geschmacksempfindungen haben.
- Ich werde vielleicht meine Freunde treffen und mit ihnen zusammen essen.
- Ich werde die bequemen Stühle und die kunstvollen Tischdecken in meinem Lieblingsrestaurant genießen.
Sicherlich sehen ich all diese Empfindungen als wertvoll an und sie werden mein Glück erhöhen. Gleichzeitig sind sie aber auch alle von unterschiedlicher Art und können nicht in eine einzige Zahl integriert werden: Zum Beispiel könnten wir nicht sagen, wie viele angenehme Geschmacksempfindungen dem Gefühl entsprechen, in einem bequemen Stuhl zu sitzen. Sie also die gleichen Eigenschaften wie Veenhovens verschiedene Interpretationen des Konzepts von “Glück.”
Aber obwohl ich diese Kriterien nicht in eine einzelne Zahl integrieren könnte, kann ich doch immer noch zwei Restaurants hinsichtlich dieser vier Qualitäten vergleichen. Ich kann zum Beispiel sagen, dass, wenn zwei Restaurants in Bezug auf die anderen Qualitäten gleich sind, aber eines bequemere Stühle bietet als das andere, das Restaurant mit den besseren Stühlen das bessere Restaurant ist. Für diese Schlussfolgerung ist es nicht erforderlich, dass ich Werte unterschiedlicher Typen miteinander vergleiche. Vergleiche wären nur dann unmöglich, wenn zum Beispiel das Essen in einem Restaurant schlechter, aber seine Stühle besser als im anderen Restaurant wären. Dann müsste ich irgendwie die relativen Werte von Geschmack gegenüber Sitzkomfort für mich selbst bewerten, was schwierig (oder unmöglich) sein könnte. In vielen anderen Fällen könnte ich jedoch trotzdem zu einer Schlussfolgerung gelangen, obwohl die vier Aspekte dessen, was ich in einem Restaurant schätze, unterschiedlich sind und sich nicht auf direkte Weise miteinander vergleichen lassen.
Bist du ausreichend?
Der Gross National Happiness Index (Bruttonationalglücks-Index, GNH) des Königreichs Bhutan verfolgt einen anderen Ansatz. Das Problem dabei ist:
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Einerseits möchte der GNH viele verschiedene Arten von Glück messen, sowohl subjektive als auch objektive, sowohl Potenziale (der Wert der Bildung) als auch tatsächliche Ergebnisse (verschiedene Aspekte der eigenen Unterkunft). Es ist unklar, wie diese verschiedenen Werte in einer einzigen Zahl ausgedrückt werden können.
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Andererseits muss der GNH diese verschiedenen Werte irgendwie vergleichbar machen, oder der GNH wäre als Glücksmaß nicht nutzbar. Denn wenn ich mehrere Zahlen hätte, die nicht miteinander verglichen werden können, wie würde ich wissen, welcher Zustand “besser” als ein anderer ist? “Besser”, definiert numerisch als die größere “Zahl” eines Glücksmaßes, kann nur sinnvoll berechnet werden, wenn ich “Glück,” in all seiner Vielfalt, tatsächlich als eine Zahl ausdrücken kann.
Wie hat der GNH dieses Problem gelöst? Bhutan hat Schwellenwerte für jeden Aspekt festgelegt, die definieren, welche Situation als “ausreichend” angesehen werden soll.
Um das Restaurantbeispiel wieder aufzugreifen: Nehmen wir an, ich könne den Geschmack des Essens als “schlecht”, “akzeptabel”, “gut” oder “hervorragend” beschreiben. Ich kann das Gleiche mit dem Gefühl, auf einem bestimmten Stuhl zu sitzen, tun. Ich kann dasselbe auch tun, wenn ich meine Erfahrung des Gesprächs mit meinen Freunden beschreibe. Jetzt sagen wir, dass ich eine “tief glückliche” Erfahrung als eine betrachte, bei der mindestens drei von vier Kriterien als “hervorragend” bewertet werden. Ich werde eine Erfahrung “glücklich” nennen, wenn mindestens zwei von vier Kriterien “hervorragend” und mindestens ein weiteres “gut” sind. Und so weiter abwärts auf der Skala der Zufriedenheit. Eine “schlechte” Erfahrung wäre eine, bei der alle vier Kriterien als “schlecht” bewertet werden.
Das ist der Vorteil dieser Art von Bewertung: Ich muss nicht mehr die Qualität des Gesprächs mit meinen Freunden mit dem Geschmack des Essens oder der Härte des Stuhls vergleichen. Jeder Aspekt meines Restaurantbesuchs wird separat gemessen und seine Qualität wird anhand seiner eigenen Suffizienzskala bewertet. Aber da am Ende jeder Aspekt der Erfahrung mit derselben Suffizienzskala beschrieben wird, kann ich die Erfahrungen jetzt entlang dieser Skala miteinender vergleichen.
So funktioniert der Bruttonationalglücks-Index.
Wann ist Glück ausreichend?
Natürlich ist das Ganze komplexer als mein Restaurantbeispiel. Der GNH versucht, das Glück über vier “Säulen” und neun “Bereiche” zu messen. Am Ende erhalten wir 33 “Indikatoren” und insgesamt 124 Umfragefragen:
Es ist interessant zu sehen, was als Indikator für Glück in Bhutans GNH gilt. Nicht nur Lebensstandard, Bildung und Gesundheit, sondern auch die Erhaltung der Kultur, gute Regierungsführung, Gemeinschaftsförderung und Zeitmanagement.
In den Worten desselben FAQ-Dokuments:
Der GNH ist ein “multi-dimensionaler Entwicklungsansatz, der danach strebt, eine harmonische Balance zwischen materiellem Wohlstand und den spirituellen, emotionalen und kulturellen Bedürfnissen unserer Gesellschaft herzustellen”. Basierend auf der Überzeugung, dass das Glück durch das Gleichgewicht von körperlichen und geistigen Bedürfnissen innerhalb einer friedlichen und sicheren Umgebung erreicht werden kann, schreibt er vor, dass es das Ziel der wirtschaftlichen Entwicklung sein muß, durch staatliche Maßnahmen die Bedingungen zur Befriedigung dieser Bedürfnisse zu schaffen.
Der Glücksindex in Bhutan unterscheidet sich deutlich von der westlichen philosophischen Literatur zum Glück:
Wir haben jetzt deutlich das “Glück” im GNH von den flüchtigen, angenehmen Stimmungen des “sich-gut-Fühlens” unterschieden, die so oft mit diesem Begriff verbunden sind. Wir wissen, dass wahres anhaltendes Glück nicht existieren kann, solange andere leiden, und das es nur erreicht werden kann durch Dienen, durch das Leben in Harmonie mit der Natur und durch das Erkennen unserer angeborenen Weisheit und der wahren und brillanten Natur unseres eigenen Geistes.
Dies ist interessant, nicht zuletzt wegen der offensichtlichen Fehldarstellung dessen, was die “westliche” Vorstellung von Glück darstellt.
Die Gleichsetzung von “westlichem” Glück mit flüchtigen, angenehmen “feel-good”-Stimmungen ist nicht einmal eine akzeptable Beschreibung von Benthams Glücks-Kalkül (felicific calculus) und steht im völligen Widerspruch zu der Art und Weise, wie Aristoteles, Bertrand Russell, die Stoiker und die Epikureer Glück definieren würden, um nur einige prominente Beispiele zu nennen.
Ost und West
Das offizielle FAQ-Dokument betont die Unterscheidung zwischen “westlichem” und “östlichem” Glück, aber das wirft eine weitere interessante Frage auf: Gibt es wirklich ein “östliches” Glück, das grundlegend anders ist als das “westliche” Glück? Ist Glück ein kulturell relativer Begriff, oder ist es für alle Menschen gleich, egal wo sie sich befinden?
Es ist klar, dass der GNH nie für den Einsatz außerhalb von Bhutan vorgesehen war. Einige seiner Indikatoren sind extrem kulturspezifisch: zum Beispiel misst er, ob Häuser eine Toilette im Haus haben, ein Maß, das im Westen nicht aussagekräftig wäre (da alle Häuser eine haben). Der GNH bewertet auch die politische Beteiligung in Dorfgemeinschaften, die Beachtung bestimmter buddhistischer Rituale oder die Beherrschung der lokalen Sprache und Traditionen in weisen, die kulturspezifisch sind. Der GNH in seiner ursprünglichen Form könnte daher nicht für die Beurteilung anderer Länder als Bhutan verwendet werden.
Aber der GNH könnte natürlich an andere Kulturen angepasst werden. Die Buddhismus-spezifischen Fragen könnten zum Beispiel umgeschrieben werden und nach islamischen oder christlichen Praktiken fragen.
Doch die Frage bleibt. Einfach eine Frage über den Buddhismus in eine Frage über das Christentum zu ändern, sagt uns nichts über die relative Rolle von Buddhismus und Christentum in ihren jeweiligen Gesellschaften. Ich würde nicht nur wissen müssen, wie die Menschen auf die Frage “wie oft besuchst du eine Kirche/einen Tempel” reagieren, sondern ich müsste auch wissen wie wichtig ein Kirchen- oder Tempelbesuch in dieser Gesellschaft ist und wieviel so ein Besuch zum individuellen Glück beiträgt. Die soziale Bedeutung einer Moschee in Saudi-Arabien ist wahrscheinlich viel höher als die einer Kirche in Berlin oder New York.
Auf die gleiche Weise ist es spezifisch für Bhutan zu fragen, ob ein Haus eine Toilette hat. So eine Frage wäre in Westeuropa sinnlos, wo alle Häuser Toiletten haben. Aber wie könnten wir diese Frage sinnvoll in eine andere übersetzen, die ein äquivalentes Gewicht hat? Ist es dasselbe, einen Fernseher in Deutschland zu haben wie eine Toilette in Bhutan zu haben? Oder ist es eher wie einen Computer zu Hause zu haben? Oder das neueste iPhone?
Und das ist nicht das einzige Problem. Auch die Gesellschaften selbst verändern sich. Vielleicht werden in zwanzig Jahren alle Menschen in Bhutan in Häusern mit Toiletten leben. Zu diesem Zeitpunkt müsste diese Frage dann überarbeitet werden, aber dann wäre der neue GNH nicht mehr mit dem alten vergleichbar und somit würde die gesamte Idee der Langzeitvergleichbarkeit, die das Grundkonzept des Projekts darstellt, gefährdet.
Und darüber hinaus könnten wir auch fragen, ob es spezifische Arten von Glück gibt, die nur für bestimmte Kulturen verfügbar sind. Kann eine säkulare Kultur überhaupt verstehen, was es für Menschen einer anderen Kultur bedeutet, im Einklang mit dem göttlichen Gesetz zu leben? Sind die Menschenrechte vielleicht nur ein westliches Konzept, das zum Glück anderer Kulturen nicht beiträgt? Gibt es ein speziell chinesisches Glück, wie der chinesische Autor Lin Yutang [3] argumentierte?
Theorie, Manipulation und harsche Realität
Schauen wir uns einige der Fragen und Ergebnisse der GNH-Umfrage selbst an.
“In Bezug auf die Alphabetisierung sind 48,6 ausreichend”
Was bedeutet “ausreichend” in Bezug auf Alphabetisierung? Laut Ura et al (2012) gilt eine Person als ausreichend lese- und schreibfähig, “wenn sie in der Lage ist, in einer beliebigen Sprache (Englisch, Dzongkha oder Nepali) zu lesen und zu schreiben.” (S.15) Richtig verstanden bedeutet dies, dass 51,4 Prozent der Bevölkerung Bhutans, mehr als die Hälfte, in keiner Sprache lesen oder schreiben können. Das ist nicht gut, und wird durch die (irreführende) Rede von “ausreichender Fähigkeit” teilweise verdeckt wird.
Man würde erwarten, dass “Unzulänglichkeit” ein höheres Niveau bezeichnet als die komplette Abwesenheit jeder Fähigkeit zu lesen und zu schreiben.
“Die Sprachfertigkeit wird anhand der selbstgemeldeten Sprachfähigkeit in der Muttersprache auf einer vierstufigen Skala gemessen.”
Das ist auch interessant. Selbstgemeldete Sprachfähigkeit in der Muttersprache. Wird das jemals zu einer niedrigen Bewertung führen? Die Sprachfertigkeit ist selbstgemeldet. Man müsste also hier eine niedrige Zahl melden, wenn man eine niedrige Einschätzung seiner eigenen Fähigkeiten in der Muttersprache hat.
Erstens wird sich niemand jemals eingestehen, dass er seine eigene Muttersprache nicht gut beherrscht. Und zweitens, wie sollte man überhaupt wissen, dass die eigene Fähigkeit, in der Muttersprache zu sprechen, mangelhaft ist? Wenn man Zugang zu besseren Sprachressourcen hätte (Sprechern oder Bildung) hätte, dann wäre die eigene Sprachfertigkeit bereits unter dem Einfluss dieser Faktoren gestiegen. Wir sprechen also über Menschen, die in Umgebungen leben, in denen das generelle Sprachniveau dem eigenen entspricht. Wie sollten diese Menschen, ohne jegliche Möglichkeit, ein anderes Sprachniveau zu beobachten, zu dem Schluss kommen, dass ihr eigenes Sprachniveau nicht optimal ist?
Kein Wunder, dass “mit diesem Schwellenwert derzeit beeindruckende 95,2 Prozent der Bevölkerung als ausreichend eingestuft werden.”
Arbeits- und Schlafzeiten
Laut dem Bericht von Ura et al (2012) sind maximal 8 Stunden Arbeitszeit in Bhutan erlaubt und mindestens 8 Stunden Schlafzeit. Doch nur 45% arbeiten weniger als 8 Stunden und nur 67% bekommen ausreichend Schlaf. Das ist besonders interessant, da die 8 Stunden Arbeitszeit auch die gesetzliche Grenze sind (Seite 20). Das bedeutet, dass 55% der Bevölkerung nicht nur überarbeitet sind, sondern während dieser zusätzlichen Stunden auch illegal arbeiten.
Politische Beteiligung
“Die Messung der politischen Beteiligung basierte auf zwei Komponenten: der Möglichkeit, bei der nächsten Wahl zu wählen und der Häufigkeit der Teilnahme an zomdue (Gemeinschafts-Versammlungen).” (Ura et al, S. 21).
Nichts wird hier über die Wirksamkeit dieser Maßnahmen gesagt, oder darüber, ob die Bürger das Gefühl haben, Einfluss auf die Politik ihres Landes zu haben. Die gemessenen Parameter sind rein formal: die Möglichkeit zu wählen (nicht einmal die tatsächliche Teilnahme) und die Häufigkeit der Teilnahme an Versammlungen (aber nicht die Zufriedenheit mit deren Ergebnis). Dennoch sind laut diesen Kriterien etwa 44% von der politischen Beteiligung ausgeschlossen.
Gesundheitsversorgung
“In den Gesundheitsdiensten gelten Menschen als ausreichend versorgt, die weniger als eine Stunde zu Fuß zum nächsten Behandlungszentrum entfernt sind.” (Ura et al, S. 21)
Wirklich? Eine Stunde zu Fuß? Das bedeutet, dass jemand, der professionelle Hilfe benötigt, erst eine Stunde zu Fuß gehen muss, um dorthin zu gelangen. Die GNH-Umfrage gruppiert Gesundheitsdienste zusammen mit Müllentsorgung und Zugang zu Strom und Wasser. Nur 41% der Bevölkerung von Bhutan erreichen in all diesen vier Bereichen eine ausreichende Versorgung.
Umweltverschmutzung
In Bezug auf die Umwelt wird die subjektive “wahrgenommene Intensität von Umweltproblemen” gemessen, nicht die Probleme selbst. Dies ist in einem Land mit einer niedrigen Alphabetisierungsrate von besonderer Bedeutung.
Demjenigen, der den Fragebogen ausfüllt, werden sieben Umweltprobleme vorgelegt. Wenn er oder sie mindestens fünf von sieben als “besorgniserregend” oder “sehr besorgniserregend” bewertet, wird er oder sie in Bezug auf die Umwelt als unzureichend bewertet. Beachten Sie erneut, dass Grundlage für diese Bewertung nicht der objektive Zustand der Umwelt ist, sondern nur das Ausmaß der Sorge der Bürger darüber. Keine Sorge, kein Problem. Einige Sorgen, auch kein Problem. Fünf von sieben Bereichen müssen als besorgniserregend eingestuft werden, um einen Bürger als Umwelt-unzureichend zu bewerten.
Natürlich hängt der Grad der “Besorgnis” über die Umwelt nicht nur von der Umwelt selbst, sondern viel mehr von der Person ab, deren Besorgnis gemessen wird. Menschen, die wenig Umweltbewusstsein haben, werden natürlicherweise weniger besorgt sein als Menschen, die sensibel für Umweltfragen sind. Gebildete Menschen werden langfristige Probleme sehen, wo ungebildete Menschen dies nicht tun werden. In einem Land mit sehr niedrigem allgemeinem Bildungsniveau, wird diese Art von Umfrage die Probleme daher tendenziell verschwinden lassen; nicht weil die Umwelt in Ordnung wäre, sondern weil nur wenige genug Verständnis haben, um überhaupt besorgt über den Zustand der Umwelt zu sein.
Objektive Kriterien oder Selbsteinschätzung?
Es ist im Prinzip nicht falsch, in einer solchen umfassenden Umfrage Selbsteinschätzungsfragen mit objektiven Messungen zu vermischen. Problematisch wird es jedoch, wenn man nur Selbsteinschätzungsfragen für jene Bereiche stellt, in denen die Selbsteinschätzung aufgrund von psychologischen Eigenheiten oder Unwissenheit wahrscheinlich das für die Regierung “beste” Ergebnis liefern wird (Selbsteinschätzung der Sprachfähigkeit, Umweltbedenken); während man nur dann objektive Kriterien abfragt, wenn diese mit hoher Wahrscheinlichkeit ein besseres Ergebnis als die Selbsteinschätzung liefern würden (Wohnungsqualität, Teilnahme an politischen Prozessen).
Wenn man die Art der Frage abhängig von dem erwarteten Ergebnis auswählt, wird eine erhebliche Verzerrung eingeführt, die in diesem Fall scheinbar vollständig zugunsten der Regierungspolitik ausfällt.
Sind einige Begierden besser als andere?
Epikur glaubte, dass der zuverlässigste Weg, glücklich zu sein, darin besteht, seine Wünsche zu reduzieren, bis es einfach ist, sie zu befriedigen.
Ein glückliches Königreich?
Das war ein langer Artikel. Wir haben einen Eindruck davon bekommen, wie Bhutans Bruttonationalglücks-Index funktioniert und einige Probleme angesprochen. Die interessantesten Fragen scheinen zu sein:
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Wie könnte man Umfragen entwickeln, die die Verzerrung minimieren und zu einer Bewertung des Glücks der Menschen führen, die so nah wie möglich an der Wahrheit ist, während man sowohl subjektive Selbsteinschätzung als auch objektive Kriterien als Teil dieser Wahrheit respektiert?
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Könnte eine solche Umfrage kulturelle Grenzen überschreiten? Wie könnte man sie gestalten, so dass sie ein stabiles Maß für das Glück einer Bevölkerung in Zeiten sich verändernder sozialer Bedingungen liefert?
Der GNH-Fragebogen in seiner jetzigen Form basiert zwar auf einer gute Idee, scheint aber in den Details ziemlich problematisch zu sein. Insbesondere gibt es einen Anreiz für jede Verwaltung, deren Wirksamkeit durch eine solche Umfrage beurteilt wird, die Zahlen gut aussehen zu lassen. Das führt zur Auswahl von Fragen und Bewertungsmethoden, die den resultierenden GNH-Index maximieren und so die Verwaltung gut aussehen lassen.
Notizen
[1] The Government of Bhutan: 8th Five Year Plan. Available online: http://www.gnhc.gov.bt/five-year-plan/
[2] Veenhoven, Ruut (2000). The Four Qualities of Life. Journal Of Happiness Studies, vol 1, pp 1-39.
[3] Lin Yutang, The Importance of Living (1937).
- The Government of Bhutan, Gross National Happiness Commission (2013). “FAQs on GNH.” Available at: http://www.gnhc.gov.bt/wp-content/uploads/2013/04/GNH-FAQs-pdf.pdf
- Ura, K.; Alkire, S.; Zangmo, T. Gross National Happiness and the GNH Index. In World Happiness Report; Helliwell, J., Layard, E., Sachs, J., Eds.; Earth Institute: New York, NY, USA, 2012. (Also available online).